Erstellt am 24.07.2025
Was würden Sie sagen, wenn morgen ein Gesetzesvorschlag in der Presse zu lesen wäre, dass man die steuerlichen Begünstigungen nach § 68 EStG 1988 (zur Erinnerung: steuerfreie Überstundenzuschläge, Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen) abschaffen oder stark einschränken würde?
Oder wenn etwas Ähnliches auf die Abschaffung der Steuerfreiheit von Tagesgeldern (Diäten) nach § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 gerichtet wäre?
Da würde es laut werden, sehr laut.
Da würde EINE Partei dann verkünden: "Mit UNS als Wirtschaftspartei (Kicher!) geht das sicher nicht" und die anderen Parteien würden sich gegenseitig beschuldigen, an der schlechten Wirtschaftsleistung schuld zu sein. Also wir hätten eine schöne Dorfschlägerei, so wie bei den Galliern, wenn der Verleihnix seinen Stinkefisch unter die Leute bringen möchte.
Es wäre wieder laut und - wie gewohnt - inhaltlich nichts Berauschendes dabei (höchstens: ein Stinkefisch).
Aber was wäre, wenn die Finanzverwaltung beschließt, diese Begünstigungen auf leisen Sohlen zu kappen (wenn es die Politik nicht hinbringt), indem sie bei den Lohnabgabenprüfungen Interpretationen so ändert, dass sie nicht für die Zukunft gelten, sondern gleich für den gesamten Prüfzeitraum rückwirkend. Also kann man sagen, dass bei der letzten Prüfung noch alles paletti war und bei der nunmehr stattfindenden Prüfung wird derselbe Fall (ohne, dass es gesetzliche Änderungen gab) plötzlich ganz anders beurteilt.
Da wird von Prüferseite "bekrittelt" (die müssen das ja tun), dass die Monteure, während sie auf Hochstrommasten ihr Lieben riskierten, keine Aufzeichnungen über die Art der Tätigkeit geführt haben (also die Gefahrenzulage an "der Kippe steht"), die man später dann dem Prüfer zeigen kann oder dass eine Schmutzzulage in Höhe von € 150,00 monatlich für die Steuerfreiheit VIIIIIIIEEEEEL zu hoch und daher nicht angemessen ist und überhaupt ist die Tätigkeit zwar schmutzig, aber nicht sooooo schmutzig (wie gesagt: beim letzten Mal hat alles noch gepasst und das Gesetz wurde nicht geändert), ein Lokalaugenschein wird abgelehnt, weil aus Sicht des Prüfers doch alles sehr grauslich ist.
Arbeitnehmern, die "All-In-Gehälter" beziehen, wurde beim letzten Mal noch der Überstundenzuschlag als lohnsteuerfrei anerkannt und derselbe Akt führt nun zu einer Lohnsteuernachzahlung, weil im Betrieb eine Gleitzeit mit ganzjähriger Gleitzeitperiode existiert (wie gesagt: beim letzten Mal hat es noch gepasst und das Gesetz hat sich nicht geändert). Aber die Überstunden waren als solche geleistet, die Aufzeichnungen sind da, aber durch eine arbeitsrechtliche Finesse des Arbeitszeitgesetzes sagt das Steuerrecht nun: "Überstunden gab es keine, nur Zeitguthaben". Die Gleitzeit gibt es in Österreich seit den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Legalisiert wurde sie im Jahr 1994. Und jetzt ist plötzlich steuerlich alles anders.
Arbeitnehmer, die am Feiertag arbeiten (müssen), hatten bis vor kurzem noch ein steuerfreies Feiertagsarbeitsentgelt dafür. Das Gesetz wurde nicht geändert, aber auf Basis einer zweitinstanzlichen Entscheidung (einem BFG-Erkenntnis, also zweite Instanz) wurde das Feiertagsarbeitsentgelt vom BMF steuerlich "kassiert". Und wie dankbar sind wir, dass diese Änderung nur bis 1.1.2025 rückwirkend geht und nicht weiter zurück. Man hätte auch eine gesetzliche Änderung bringen können, die uns die Steuerfreiheit weiter garantiert hätte. Ein Budgetbegleitgesetz wurde ja vor kurzem verlautbart. Wollte man nicht, konnte man nicht? Zufall?
Erkennen Sie das Muster?
Ein Arbeitgeber bezahlt seinen Dienstnehmern, weil es im Kollektivvertrag steht, für auswärtige Einsätze ein Taggeld. Aber weil die Einsätze dann doch zu lange an ein und demselben Fleck stattfanden (was eventuell nicht vorhersehbar war) und der Prüfer im Nachhinein natürlich dann einen besseren Überblick hat, werden diese Taggelder nachversteuert, weil man nun einfach eine neue "Interpretation" ausprobiert (wie gesagt: nicht für die Zukunft, sondern für die Vergangenheit).
Für all das GILT:
Nicht, weil die Lohnverrechnung was falsch gemacht hat, nein. Stellen Sie sich vor, die Lohnverrechnung hätte das damals einfach versteuert aus einer Überlegung heraus, die Finanzverwaltung könnte ja ihre Meinung ändern.
Man wäre als "Handlanger der Finanzverwaltung" bezeichnet worden, aus dem Betrieb gejagt und möglicherweise auch verklagt worden. Man hätte sich in dem Beruf (trotz Mangels) nicht mehr blicken lassen können.
Die Lohnverrechnung hat es tatsächlich damals "richtig" gemacht, weil es den seinerzeitigen Intentionen des Gesetzgebers entsprochen hatte und weil man sogar von Vortragenden der Finanzverwaltung selber diese Vorgangsweisen empfohlen bekommen hatte, für die es nun die teilweise existenzbedrohenden Nachforderungen gibt (die Zahl der Betriebe, die als Folge von GPLB entweder schließen müssen oder Insolvenz anmelden müssen, steigt, was aber in der Insolvenzstatistik untergeht).
Und auch in Fachbüchern sind diese überraschenden Wendungen erst sehr lange im Nachgang zu lesen, was dann niemandem irgendwas bringt.
Man stelle sich vor, der Vermieter bittet den Mieter für 5 Jahre rückwirkend zur Kasse, weil er nun das Mietrecht "anders interpretiert".
Es geht um diese "Heckenschützenmentalität", die sich hier seit ein paar Jahren breit macht. Es geht NICHT um das Aufdecken von Fehlern, es geht einfach darum, Interpretationen im großen Stil zu ändern, um dann richtig fette Steuereinnahmen im Nachgang zu haben. Du hast es weder als Betrieb, noch als Steuerberater, noch als Lohnverrechnung in der Hand, hier richtig abzurechnen. Du bist der Auslegungswillkür ausgesetzt.
Aber das muss man doch "an die große Glocke" hängen und in die Medien damit gehen. Die Medien? Da war doch was mit "Presseförderung" oder so. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich im Vorjahr für einen Fernsehsender (für den wir alle einen Beitrag zahlen) einen Fachbeitrag betreffend das BUAG-Debakel bei den Spenglern - sagen wir - mitgestaltet habe, damit da auch was dazu gesendet werden konnte (von "offizieller Seite" wollte ja niemand vor die Kameras, haben sich alle "weggeduckt", also war ich quasi "die letzte Hoffnung"). Und bei der Auflistung der Palette von Problemen, die das unterjährige Ändern der Urlaubsrechtsgrundlage mit sich bringen würde, nannte ich dabei auch das "Jahressechstel, das zum Jahreszwölftel werden würde" und erklärte ihm (dem Redakteur) das. Er meinte: "das klingt interessant, aber das versteht von den Zusehern kaum jemand, also lassen wir das bitte weg". Also DAS wird wohl dann auch nicht so gut klappen, wenn es um die angesprochenen anderen steuerlichen Themen geht, denn DAS werden die Leser wohl nicht verstehen, oder?
Weiß man in den Ministerien um die Probleme? Definitiv: ja.
Warum tut man nichts dagegen? Vielleicht, weil man zu sehr mit der Trinkgeldpauschale beschäftigt war oder mit der Deutungshoheit betreffend dem Ach und Weh von Teilzeitbeschäftigungen. Dass man da absichtlich nichts dagegen unternimmt und sogar froh ist über diese "unerwarteten" Einnahmen oder dies alles sogar beauftragt hat, DAS glaube ich definitiv nicht.
Spinnen wir das Ganze mal weiter. Mal angenommen ein Arbeitgeber muss nun völlig unerwartet von den Taggeldern, die eigentlich abgabenfrei waren, aber nun in pflichtig umgedeutet werden, weil man doch zu lange an ein und demselben Fleck war, Steuern nachzahlen (ein paar Hunderttausend werden es schon sein). Der Arbeitgeber beschließt, von seinem Regressrecht Gebrauch zu machen und versucht, das Geld von den Arbeitnehmern zu holen. Es könnte auch der Insolvenzverwalter sein, wäre gut möglich. Rechtlich darf er das, es kommt halt selten vor.
Und die Anrufe verzweifelter Arbeitnehmer (da ist es dann nicht einfach nur eine Handvoll verzweifelter Unternehmer, sondern jetzt geht das richtig in die Masse) fluten die Arbeitnehmervertretungen. Ist dann anzunehmen, dass sich etwas ändert? Der Finanzminister, der davor in der AK tätig war (der Wirtschaftsminister in der WKO), wird er dann etwas unternehmen?
Wird es DANN auch rückwirkend einen "Gnadenakt" geben, wie man ihn nun bei den Trinkgeldern plant (ein völlig unnötiges Drama, das im Grunde genauso entstanden ist, wie das, was ich betreffend die Dienstreiseersätze geschildert habe bzw. wegen des § 68 EStG 1988). Und die Politik lässt sich dann für die Reparatur der - sagen wir - überschaubar guten ursprünglichen Regelungen - als Retter feiern. Dort wird übrigens die neue Regelung keinesfalls besser sein als die alte, sie löst aber hoffentlich die früheren Prüfungsprobleme, die durch "DAS SEHEN WIR JETZT ANDERS" entstanden sind. Aber die Pauschbeträge werden halt doch höher. Damit ist wohl auch wieder eine Salamitaktik aufgegangen.
Denn genau DAS ist jetzt wieder laut, sehr laut geschehen.
Davor war es leise, sehr leise. So leise, wie es jetzt bei den GPLB zugeht, von denen sonst niemand erfährt oder erfahren soll aus Angst vor möglichen Repressalien.
Vielleicht bin ich da auch nicht erfahren genug, aber wäre JETZT nicht die Zeit, Betriebe und Arbeitnehmer in Anbetracht der Wirtschaftslage zu stärken?
Wäre es nicht an der Zeit, ein Steuerrecht zu haben, auf das man sich verlassen kann und prüfende Organe, die nicht rückwirkend anders interpretieren? Was soll eigentlich diese Heuchelei betreffend "Compliance" & Co, wenn die GPLB einfach sagen kann: "DAS sehen wir JETZT anders"?
Im Regierungsprogramm steht, dass die Lohnverrechnung einfacher werden soll. Viele werden resignieren und meinen, dass sich das nie ausgehen wird. Wir schütteln den Kopf in der Annahme, dass man auch dieses Versprechen nicht einhalten wird und wir gewöhnen uns daran, dass man "DAS JETZT ANDERS SIEHT". Wer weiß, was man bei der nächsten Prüfung dann "ANDERS SIEHT".
Liebe Leute, DAS ist der Lohnverrechnungsalltag, leider. So schaut es aus.
Bei der Corona-Kurzarbeit konnte ich noch dagegenhalten, dass man uns nicht völlig links liegen lässt. Wie die nächsten Monate sich entwickeln werden, kann ich leider nicht sagen. Aber wenn nicht bald hier ein Aufwachprozess einsetzt und diese Entwicklungen gestoppt werden, sehe ich die Zukunft definitiv nicht (mehr) recht positiv.
Danke fürs Lesen und Danke für Ihr Verständnis, dass ich hier den "Onkel Tacheles" mitgenommen habe. Ich wünsche uns allen, dass hier eine baldige Kurskorrektur einsetzt und die Beschwichtiger auf die Ersatzbank gesetzt werden.
Danke, dass Sie sich in diesem - an und für sich tollen Beruf - nicht unterkriegen lassen. Ich werde weiter für Sie alles geben.
Und - liebe GPLB-Prüfer - auch euch wünsche ich natürlich von Herzen alles Gute, denn gar nicht so wenige von euch tun sich sehr schwer damit, diese Dinge "mitzutragen". Die GPLB soll ja helfen, für Abgabenfairness zu sorgen und so auch Wettbewerbswidrigkeiten entgegen zu wirken. Das ist gut und wichtig. Hoffen wir, dass wir bald wieder zu dieser Aufgabenstellung gelangen werden.
Warum ich mir das alles schreiben getraue: weil ich und mein Magazin (WIKU Personal aktuell) unabhängig sind und weil ich ja niemanden hier in die Pfanne schmeiße, sondern das Wegschauen beim "DAS SEHEN WIR JETZT ANDERS" einbremsen möchte.
Zugleich sollen Lohnverrechner, die in einen Erklärungsnotstand geraten, zumindest eine plausible Erklärung "teilen können". Darum ging es mir in erster Linie.