Willkommen im WIKU Premium Blog

Zum Weiterlesen für WIKU Personal aktuell - Premium Kunden.

Verschweigen eines möglichen Entlassungsgrundes bei einer Auflösungsvereinbarung

Erstellt am 12.08.2025

Verschweigen eines Entlassungsgrundes bei einer Auflösungsvereinbarung

OGH vom 17.07.2025, 9 ObA 35/25z

So entschied der OGH:

  1. Kam es über Initiative des Arbeitgebers zu einer einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses mit einer großzügigen „freiwilligen Abfertigung“ und stellte sich erst nach der Auflösung heraus, dass möglicherweise ein Entlassungsgrund vorgelegen war (der erst danach „aufgetaucht“ war), so kann der Arbeitgeber nicht von einer „arglistigen Täuschung“ der von ihm selbst angestrebten Auflösungsvereinbarung ausgehen.

  2. Eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur „Selbstbelastung“ kann aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers aber nicht abgeleitet werden. Diese bezieht sich zwar auf die betrieblichen Interessen des Dienstgebers, der Schutzbereich der arbeitsrechtlichen Treuepflicht umfasst aber nicht das finanzielle Interesse des Dienstgebers, das Dienstverhältnis zu für ihn möglichst vorteilhaften Bedingungen zu beenden, insbesondere also eine Entlassung auszusprechen, wenn diese berechtigt sein könnte, anstatt eine Auflösungsvereinbarung abzuschließen.

  3. Mangels einer Verpflichtung des früheren Arbeitnehmers, das Vorliegen des möglichen Entlassungsgrundes (das Vorliegen einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen) anlässlich des an ihn gerichteten Auflösungsangebots der Arbeitgeberin zu offenbaren (der sonst möglicherweise nicht so ein großzügiges Auflösungsangebot gelegt hätte), liegt in der bloßen Verschweigung dieses Umstands keine List.

  4. Auch ein Dienstnehmer (wie der ehemalige Arbeitnehmer als langjähriges Organ einer Kapitalgesellschaft), an den aufgrund seiner höheren Position bzw in einer besonderen Vertrauensstellung in der Regel ein strengerer Maßstab an die Treuepflicht anzulegen sein mag, handelt nicht rechtswidrig, wenn er dem Dienstgeber vor Abschluss der vom Dienstgeber angestrebten Auflösungsvereinbarung nicht jene Umstände darlegt, die seine Entlassung berechtigen würden.

  5. Die Aufklärungspflicht des ehemaligen Arbeitnehmers ist alleine aufgrund seiner gehobenen Stellung nicht höher anzusetzen als die eines anderen Dienstnehmers. Eine Pflicht des Dienstnehmers zu einer umfassenden Interessenwahrung, wie sie der Terminus „allgemeine Treuepflicht“ suggerieren könnte, besteht nicht.

  6. Dass der ehemalige Arbeitnehmer aufgrund konzerninterner sowie bankrechtlicher und aktienrechtlicher Vorschriften seine Beteiligung (auch in der von ihm abgegebenen „Fit & Proper Erklärung“) während des aufrechten Dienstverhältnisses offenlegen hätte müssen, mag durchaus sein, begründet aber (nach dem Schutzzweck dieser Normen) ebenfalls keine Pflicht des ehemaligen Arbeitnehmers, den Arbeitgeber vor Abschluss der von ihm initiierten Auflösungsvereinbarung von einem von ihm – schon länger zurückliegenden – (allenfalls) gesetzten Entlassungsgrund in Kenntnis zu setzen und sich damit einer strafbaren Handlung zu bezichtigen.

  7. Die begehrte Feststellung, dass der Arbeitnehmer seine Beteiligung bei jeder einzelnen Vertragsverlängerung mit der Gesellschaft melden und die schriftliche Zustimmung des Gremiums einholen hätte müssen, ist daher rechtlich nicht relevant.

Autor: Wilhelm Kurzböck