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Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen behinderten Kindes – geforderte Arbeitsplatzanpassungen dürfen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten

Erstellt am 15.09.2025

EuGH vom 11.09.2025, C-38/24

Sachverhalt:

Eine Stationsaufsicht ersuchte ihren Arbeitgeber mehrmals, sie an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen.

Dies begründete sie damit, dass sie sich um ihren schwerbehinderten, vollinvaliden Sohn kümmern müsse.

Der Arbeitgeber gewährte ihr vorläufig bestimmte Anpassungen.

Er lehnte es jedoch ab, diese Anpassungen auf Dauer zu gewähren.

Die Stationsaufsicht focht diese Ablehnung vor den (italienischen) Gerichten an

Das Höchstgericht leitete ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH dazu ein, weil ihm Zweifel erwuchs, inwieweit sich das Unionsrecht betreffend die mittelbare Diskriminierung auch auf (behinderte) Kinder des Arbeitnehmers beziehen.

So entschied der EuGH:

Der EuGH bestätigte, dass sich das Diskriminierungsverbot wegen Behinderung nicht nur auf den Zustand des Arbeitnehmers selbst bezieht, sondern – wie hier – auch auf die Situation der Behinderung eines Kindes.

Allerdings ist (wiederum durch das italienische Gericht) zu klären, ob die gewünschte Arbeitszeitanpassung den Arbeitgeber nicht am Ende unverhältnismäßig belastet.

Aus den Entscheidungsgründen:

  1. Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung nach der Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gilt auch für einen Arbeitnehmer, der wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird.

  2. Diese Richtlinie zielt darauf ab, in Beschäftigung und Beruf** jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung** zu bekämpfen.

  3. Dabei spielt bei der Auslegung dieser Richtlinie auch die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ eine wesentliche Rolle, welche unter anderem die Wahrung der Rechte der Kinder sowie des Rechts behinderter Personen auf Eingliederung vorsieht. Auch das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ spielt da „herein“.

  4. Aus diesen Rechtsakten geht hervor, dass zur Wahrung der Rechte von behinderten Menschen, insbesondere Kindern, das allgemeine Diskriminierungsverbot auch die mittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung erfasst, damit auch die Eltern behinderter Kinder in Beschäftigung und Beruf gleichbehandelt und nicht aufgrund der Lage ihrer Kinder benachteiligt werden.

  5. Der EuGH meint allerdings, dass ein Arbeitgeber, um die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Arbeitnehmer ihren behinderten Kindern die erforderliche Unterstützung zukommen lassen können, sofern er dadurch nicht unverhältnismäßig belastet wird.

  6. Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob in der vorliegenden Rechtssache das Ersuchen der Arbeitnehmerin den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet hätte.

Praxisanmerkung: _ § 7b Abs. 5 Behinderteneinstellungsgesetz_ sieht bei der Auslegung des Diskriminierungsverbotes dessen Ausdehnung auf Personen mit Behinderung, zu denen der Arbeitnehmer ein Naheverhältnis hat.

Dass der Arbeitgeber dabei nicht unverhältnismäßig belastet werden darf (was im Einzelfall mit Sicherheit zu unterschiedlichsten Auffassungen führen wird), nehmen wir aus diesem EuGH-Entscheid gerne mit.

Autor: Wilhelm Kurzböck